HVO100 vs. klassischer Diesel: Umweltbilanz im Vergleich

Die Diskussion um alternative Kraftstoffe gewinnt an Dynamik – nicht nur im Pkw-Bereich, sondern vor allem dort, wo große Mengen Kraftstoff benötigt werden: im Schwerlastverkehr, in kommunalen Fuhrparks, bei Bussen oder in der Landwirtschaft. Mit der Zulassung von HVO100 in Deutschland steht seit Mai 2024 ein paraffinischer Dieselkraftstoff zur Verfügung, der in mehreren europäischen Ländern bereits erfolgreich eingesetzt wird. Doch wie schneidet HVO100 im direkten Vergleich mit klassischem Diesel ab – insbesondere mit Blick auf die Umweltbilanz?

Weniger CO₂ über den gesamten Lebenszyklus

Der größte Unterschied zeigt sich in der Treibhausgasbilanz. Ein Liter fossiler Diesel verursacht laut etablierter Berechnungen rund 2,64 Kilogramm CO₂-Äquivalente – über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg, von der Förderung über die Raffinierung bis zur Nutzung im Fahrzeug. HVO100 hingegen, der aus hydrierten organischen Reststoffen wie Altspeiseöl oder tierischen Fetten hergestellt wird, verursacht deutlich geringere Emissionen. Je nach eingesetztem Rohstoff und Herstellungsverfahren sind Einsparungen von bis zu 90 Prozent möglich.

Der Ansatz ist kreislauforientiert: Statt organische Abfälle ungenutzt zu entsorgen, werden sie wiederverwertet – und zusätzliche Emissionen, die bei der Förderung neuer Rohstoffe entstehen würden, vermieden. Bewertet wird dies im sogenannten Well-to-Wheel-Modell, also über die gesamte Strecke von der Rohstoffgewinnung bis zur Nutzung im Fahrzeug. In dieser Betrachtung zeigt sich, dass HVO100 unter realen Bedingungen eine deutlich geringere Klimawirkung haben kann als fossiler Diesel.

Verbrennung und Anwendung im Fahrzeug

Im Fahrzeugbetrieb zeigt HVO100 eine sauberere Verbrennung als fossiler Diesel. Grund dafür ist die höhere Zündwilligkeit, die zu einer vollständigeren Verbrennung führt. Studien, unter anderem der TU Wien und der Empa, belegen, dass dadurch Emissionen von Partikeln, Kohlenmonoxid und unverbrannten Kohlenwasserstoffen spürbar sinken können. Die Unterschiede bei Stickoxiden sind geringer und hängen stark vom Fahrzeugtyp und der Abgastechnik ab.

Ein praktischer Vorteil: HVO100 kann in vielen modernen Dieselmotoren direkt eingesetzt werden – ohne Umrüstung, sofern der Hersteller das Modell dafür freigegeben hat. Das spart Aufwand und macht den Umstieg unkompliziert.

Ein Kraftstoff, der vorhandene Strukturen nutzt

Während viele Debatten über neue Antriebstechnologien auf langfristige Umstellungen abzielen, steht HVO100 heute bereits zur Verfügung – und lässt sich direkt in bestehende Systeme integrieren. Die Umweltvorteile sind gut dokumentiert, die Nutzungserfahrungen zahlreich, und die bestehende Fahrzeug- und Tanktechnik kann weiterverwendet werden.

Ob HVO100 künftig als Brückentechnologie dient oder ein dauerhafter Teil des Kraftstoffangebots wird, lässt sich heute noch nicht abschließend beurteilen. Fest steht jedoch: Wer kurzfristig Emissionen im Verkehrsbereich senken will, findet hier eine praxistaugliche Möglichkeit. Manchmal braucht es eben keinen kompletten Neustart – sondern nur eine durchdachte Weiterentwicklung dessen, was bereits vorhanden ist.