Während die Welt zunehmend auf nachhaltige Alternativen zu fossilen Brennstoffen setzt, rückt ein Kraftstoff besonders in den Fokus: HVO100. Hydriertes Pflanzenöl, kurz HVO100, hat das Potenzial, die Emissionen im Verkehr signifikant zu reduzieren. Neben bis zu 90 Prozent geringeren Treibhausgasemissionen im Vergleich zu fossilem Diesel stößt dieser zudem weniger Feinstaub sowie Stickoxid aus und ist nahezu geruchslos.
Während Deutschland sich noch am Anfang der breiten Einführung dieses vielversprechenden Kraftstoffs befindet, lohnt sich ein Blick ins Ausland, um zu sehen, wie andere Länder HVO100 bereits erfolgreich in ihren Mobilitätsstrategien einsetzen. Denn: Deutschland ist bei HVO100 ein Nachzügler. In vielen anderen europäischen Ländern kann der erdölfreie Diesel bereits seit Jahren getankt werden – etwa in Schweden, Finnland oder in Kalifornien, wo bereits ca. 2014/15 die ersten Tankstellen eröffneten. Diese internationalen Beispiele bieten wertvolle Einblicke in die erfolgreiche Umsetzung und den politischen Rahmen, die den Einsatz von HVO100 fördern und vorantreiben.
Skandinavien: Pioniere in der HVO100-Nutzung
Schweden und Finnland zählen zu den Vorreitern bei der Einführung von HVO100. In beiden Ländern ist der Kraftstoff in vielen Tankstellen im ganzen Land verfügbar. Diese Entwicklung wurde maßgeblich begünstigt, weil der HVO in Finnland bereits in den 90er Jahren entwickelt wurde, und in beiden Ländern große Raffinerien entstanden sind. Die größten Produzenten sind Neste, Preem und ST1. Außerdem sind Politik und Behörden aufgeschlossen gegenüber dem Kraftstoff. Nach Informationen das schwedischen Fernsehens attestiert das schwedische Umweltamt für HVO den mit Abstand größten Klimahebel, auch im Vergleich zu anderen Klimaschutzkonzepten. Bereits seit Jahren wird hier HVO100 erfolgreich in Busflotten und im öffentlichen Nahverkehr eingesetzt. Die schwedische Regierung hat erkannt, dass die Förderung von HVO100 nicht nur dem Klima, sondern auch der heimischen Wirtschaft zugutekommt, mit deren Steuereinnahmen letztlich auch sämtliche Umweltmaßnahmen finanziert werden. Der Kraftstoff wird mittlerweile auch in andere Länder exportiert.
Auch in Dänemark und Norwegen ist HVO als Reinkraftstoff und Blend erhältlich, wobei der Fokus auf Beimischungen liegt. In Norwegen deckt HVO etwa 20 % des Dieselmarktes ab, und bei Ketten wie Circle K, YX und Uno-X wird Standard-Diesel teilweise mit bis zu 40 % HVO versetzt. Obwohl diese hohen Beimischungen oft nicht klar gekennzeichnet sind, sind keine Motorprobleme bekannt, was die Unbedenklichkeit des Kraftstoffs unterstreicht. Besonders im ländlichen Raum, wo Dieselfahrzeuge weiterhin beliebt sind, zeigt sich, dass HVO problemlos eingesetzt wird.
Niederlande und Belgien: Ein Modell für Flexibilität und Innovation
Auch in den Niederlanden spielte die frühe Entwicklung großer Raffinerien eine entscheidende Rolle bei der Einführung von HVO100. Die größte Raffinerie, Neste in Rotterdam, hat seit etwa 2017 den Kraftstoff verfügbar gemacht. Belgien folgte 2021 mit der Einführung von HVO. In den Niederlanden gab es zudem interessante Einsatzmodelle, wie das Kreislaufsystem der Fastfood-Kette McDonald’s. Bereits 2020 begann McDonald’s, Rohmaterialien an Neste zu liefern, die im Gegenzug HVO-Kraftstoff bereitstellen. Auch die niederländische Post setzt HVO100 seit Jahren ein. Für niederländische Konsumenten ist HVO mittlerweile selbstverständlich.
Großbritannien und Irland: Vielfältiger Einsatz von HVO
In Großbritannien wird HVO100 derzeit hauptsächlich im Schwerlastverkehr genutzt, wobei das Tankstellennetz stetig wächst. Besonders auf den Inseln Guernsey, Jersey und in Nordirland ist das Netz für PKW und LKW deutlich dichter als auf der Hauptinsel. Interessanterweise wird HVO100 dort auch im Wärmemarkt eingesetzt. Der Kraftstoff wird teilweise aus den USA importiert, doch es gibt bereits erste Bestrebungen, eine lokale Produktion aufzubauen. In der Republik Irland ist man beim Einsatz von HVO sogar noch weiter. Die großen Tankketten mischen bereits zwischen 8 und 15 % HVO ihrem Standard-Diesel bei. Zudem entwickelt sich ein immer dichteres Tanknetz für HVO100.
Italien: Europäischer Spitzenreiter bei HVO-Kraftstoffen
Italien hat sich in den letzten Jahren zu einem Vorreiter für HVO-Kraftstoffe in Europa entwickelt. Kein anderes europäisches Land bietet ein derart umfassendes und engmaschiges Netz an HVO-Produkten, sei es als Beimischung oder als Reinkraftstoff. Dies ist auch dem Aufbau eines leistungsfähigen Raffinerie-Komplexes zu verdanken: ENI betreibt derzeit zwei Raffinerien in Venedig und Gela, deren Kapazität von aktuell 1,1 Millionen Tonnen pro Jahr bis 2025 auf 2 Millionen Tonnen und im folgenden Jahrzehnt auf 6 Millionen Tonnen steigen wird. Eine weitere Raffinerie in Livorno wird ebenfalls HVO produzieren. Italien, das früher für seine Müllprobleme bekannt war, hat inzwischen ein effektives Rücknahmekonzept für Bioabfälle entwickelt, die zu Kraftstoffen verarbeitet werden. Seit 2016 bietet ENI eine 15%ige HVO-Beimischung an fast allen ENI-Tankstellen an, und seit 2023 ist HVO100 auch bei zahlreichen anderen Tankketten erhältlich. Die Anzahl der HVO100-Tankstellen stieg zwischen März 2023 und August 2024 von 50 auf über 1500. Dieser beeindruckende Anstieg ist eng mit den politischen Maßnahmen der Regierung unter Giorgia Meloni verbunden, die HVO100 durch steuerliche Anreize und Gesetzesänderungen als Teil der nationalen Klimastrategie aktiv unterstützt hat. Italien hat frühzeitig erkannt, dass eine rein strombasierte Mobilität in ländlichen Regionen schwer umsetzbar ist und setzt daher verstärkt auf flüssige defossilisierte Kraftstoffe. In Italien wird HVO100 bei ENI beispielsweise 5-10 Cent günstiger angeboten als fossiler Diesel. Bei anderen Tankketten liegt der Preis von HVO100 im schlimmsten Fall auf dem Niveau des üblichen B7-Standardkraftstoffs.
Spanien und Portugal: Defossilisierte Energie als Exportchance
Wie Italien hat auch Spanien mit Repsol einen großen Energiekonzern, der die Chancen grüner Kraftstoffe erkannt hat. Das Land nutzt seine geographische Lage, um sich als Zentrum für grüne Energie zu positionieren. Zusammen mit Saudi Aramco baut Repsol eine E-Fuel-Anlage in Spanien und erweitert seine Aktivitäten im Bereich regenerativer Kraftstoffe. Zwei große HVO-Raffinerien in Cartagena und in der Nähe von Bilbao erhöhen ihre Produktionskapazität, indem sie Abfälle verarbeiten, die teils von den Tankstellen selbst zurückgeführt werden. Repsol hat ein durchdachtes Rücknahmesystem etabliert, bei dem Kunden Reststoffe an der Tankstelle abgeben können, um anschließend bis zu 30 Cent pro Liter günstiger zu tanken.
In Portugal verfolgt man einen ähnlichen Weg. Hier wird der Markt von der spanischen Tankkette Repsol beliefert, während lokale Anbieter wie GALP eigene Produktionsanlagen für HVO aufbauen. Während HVO100 in Spanien bereits weit verbreitet ist, ist Portugal noch nicht vollständig auf diesem Stand. Der Zugang zu HVO100 erfordert in Portugal eine spezielle Bezugskarte des Betreibers, wie die Solored-Card von Repsol, die dem früheren Bezahlkonzept in Deutschland vor der offiziellen Verkaufsfreigabe ähnelt. Galp errichtet ebenfalls eine HVO-Anlage, und bis Ende 2024 soll auf der iberischen Halbinsel ein Tankstellennetz von etwa 600 Repsol-Stationen entstehen. Im August 2024 waren bereits etwa 360 Stationen in Betrieb. Insgesamt bieten beide Länder zusammen, einschließlich aller Tankketten, rund 380 HVO-Stationen.
Kalifornien: HVO als unvermeidlicher Teil des Klimaschutzes
Kalifornien hat sich 2023 zu einem Spitzenreiter bei HVO entwickelt, mit einem Marktanteil von über 50%, der voraussichtlich bis August 2024 auf 60% steigt. Die großen Tankketten wie 76 und Chevron bieten fast ausschließlich HVO mit Beimischungen von 80 bis 99% an. Seit der Einführung von HVO in Kalifornien im Jahr 2014/15 sind keine Motorprobleme bekannt, obwohl HVO in hohen Beimischungen angeboten wird und die Mischung oft nicht an der Zapfsäule gekennzeichnet ist.
In Kalifornien und Oregon, wo HVO hauptsächlich verbreitet ist, zeigt sich eine wachsende Akzeptanz, insbesondere bei großen Pick-Ups und SUVs. Trotz der unterschiedlichen Regulierungen in den US-Bundesstaaten deuten steigende Produktionsmengen und das positive Umfeld für regenerative Kraftstoffe im Rahmen des Inflation Reduction Acts auf eine weitere Zunahme hin.
Österreich und seine Nachbarn: HVO auf dem Vormarsch
In Österreich ist HVO100 seit 2022 erhältlich und bereits an fast 100 Stationen verfügbar. Seit 2011 werden zudem HVO-Beimischungen angeboten, derzeit an etwa 750 Stationen, darunter rund 230 OMV-Standorte. OMV hat kürzlich angekündigt, den HVO-Anteil in seinem MaxxMotion Diesel von 7% auf 20% zu erhöhen. Diese Entwicklung könnte auch andere Tankketten im Land beeinflussen. MaxxMotion, das auch in Ungarn und Tschechien vertrieben wird, wird dort ebenfalls mit 20% HVO angeboten. Die österreichische Post plant, ihre gesamte Flotte auf HVO100 umzustellen.
In Tschechien wird aktuell eine HVO100-Tankinfrastruktur aufgebaut, unter anderem durch die große Tankkette EuroOil. Erste Schritte in Richtung HVO100 sind ebenfalls in Slowenien, der Slowakei und Polen zu beobachten.
Frankreich, Schweiz und Monaco: Erste Schritte und ein leuchtendes Beispiel für Defossilisierung
In Frankreich wird bis Ende 2024 mit dem Aufbau einer HVO100-Tankinfrastruktur gerechnet, da die Freigabe politisch beschlossen wurde. Derzeit befindet sich das Land noch in der administrativen Umsetzung. Der späte Beginn wird teilweise auf die starke Biodiesel-Industrie und den Einfluss der Landwirtschaft zurückgeführt.
In der Schweiz ist HVO100 bereits vereinzelt erhältlich, und es wird mit einer weiteren Ausweitung gerechnet, da das Land regenerativen Kraftstoffen gegenüber aufgeschlossen ist und kein Verbot für Verbrennungsmotoren existiert.
Ein herausragendes Beispiel für bereits umgesetzte Defossilisierung ist Monaco. Seit 2021 hat der einzige Tankstellenbetreiber, Romano Energies, vollständig auf HVO100 umgestellt. Diese Tankstelle versorgt nicht nur Formel-1-Teams, sondern auch adlige Kunden und die örtliche Gendarmerie. Fossiler Diesel und Ottokraftstoff wurden durch abfallbasierte Produkte ersetzt, die seit fast einem Jahr ohne Reklamationen getankt werden.
Deutschland: Erste Schritte und der Weg nach vorne
Auch in Deutschland hat die Einführung von HVO100 bereits begonnen. Erste Erfolge sind sichtbar: HVO100 ist bereits an einigen Tankstellen verfügbar – im August 2024 zählte eFuelsNow e.V. immerhin schon 240 Stationen nach 3 Monaten Verkaufsfreigabe. Doch trotz dieser Fortschritte steht Deutschland als Nachzügler noch am Anfang der breiten Einführung von HVO100.
Um das volle Potenzial von HVO100 in Deutschland auszuschöpfen, bedarf es weiterer politischer Unterstützung und konkreter Maßnahmen. Steuerliche Anreize, staatliche Förderprogramme und eine klare Kommunikation über die ökologischen und wirtschaftlichen Vorteile von HVO100 könnten dazu beitragen, den Biokraftstoff schneller zu verbreiten.
Deutschland hat jetzt die Chance, die bisherigen Erfolge auszubauen und HVO100 als festen Bestandteil seiner Klimastrategie zu etablieren. Technologieoffenheit sollte nicht nur eine Phrase sein, sondern eben gelebte Wirklichkeit.
Die Weichen für eine nachhaltige Zukunft sind bereits gestellt. Nun gilt es, den eingeschlagenen Weg konsequent weiterzugehen, um HVO100 zu einer echten Alternative für alle Verkehrsteilnehmer in Deutschland zu machen. Als greifbare und sofort umsetzbare Lösung bietet HVO100 die Möglichkeit, unsere Klimaziele schnell und kosteneffizient zu erreichen und gleichzeitig die so beliebte Verbrennermobilität zu erhalten.
Hier finden Sie eine HVO-Tankstellenkarte von eFuelsNow e.V., die einen aktuellen Überblick über Tankstellen mit HVO-Diesel weltweit bietet.
Quellen:
https://www.unendlich-viel-energie.de/themen/verkehr/hvo-gewinnt-in-den-usa-an-bedeutung
https://www.glpautogas.info/de/hvo100-tankstellen-niederlande.html
https://premaenergy.co.uk/hvo-diesel/how-the-uk-is-moving-towards-the-utilisation-of-hvo
https://www.weidemann.de/unternehmen/innovationen/hvo-hydrotreated-vegetable-oil