Autofahrer-Studie 2025: Ein Jahr HVO100 – Wie bekannt und zukunftsfähig ist der neue Diesel?

Seit fast genau einem Jahr ist HVO100 an einigen Tankstellen in Deutschland zu finden. Täglich kommen neue Tankstellen hinzu. Dennoch ist HVO100 bislang nur wenigen Autofahrern bekannt. Eine aktuelle, repräsentative Studie von Mobil in Deutschland e.V. in Zusammenarbeit mit der puls Marktforschung GmbH zeigt: Das Interesse an alternativen Kraftstoffen wächst – insbesondere HVO100 steht zunehmend im Fokus deutscher Autofahrer. Gleichzeitig bleiben Informationsdefizite, technische Bedenken und eine unzureichende Tankstellenverfügbarkeit zentrale Hürden.

Was ist HVO100?

HVO100 steht für „Hydrotreated Vegetable Oil“ – ein synthetischer Dieselkraftstoff, der durch Hydrierung von Altspeiseölen, tierischen Fetten oder Abfallstoffen gewonnen wird. Anders als herkömmlicher Diesel ist HVO100 klar, geruchlos und verbrennt besonders sauber. Neben den Eigenschaften eines Premium-Diesels bietet HVO auch noch einen handfesten Umweltvorteil: Die CO2-Emissionen lassen sich über den Lebenszyklus des Kraftstoffs um bis zu 90 Prozent reduzieren. Ein Gamechanger an der Zapfsäule.

Daneben bietet HVO100 weitere praktische Vorteile: Er ist lagerstabil, kältebeständig und sofort in vielen modernen Dieselmotoren einsetzbar – ganz ohne Umrüstung oder neue Infrastruktur. Auch lokale Emissionen wie Rußpartikel und Stickoxide sinken deutlich. Für Unternehmen und Flottenbetreiber bedeutet das: Sie können ihren CO2-Fußabdruck sofort senken – mit bewährter Technik und minimalem Aufwand.

Studie: Bekanntheit und Zukunftsfähigkeit von HVO100

Schon im Februar 2024 hatte der Automobilclub Mobil in Deutschland e.V. eine neutrale, repräsentative Marktforschungsstudie unter Autofahrern in Auftrag gegeben, um die Bekanntheit von HVO100 und die Zukunftsfähigkeit alternativer Kraftstoffe zu untersuchen. Im März 2025 wurde die zweite Umfrage durchgeführt, die einen guten Vergleich zur ersten Studie herstellt und spannende Ergebnisse liefert.

Durchgeführt wurden die Umfragen durch das renommierte Marktforschungsunternehmen puls Marktforschung. Im März 2025 wurden, ähnlich wie 2024, insgesamt 1.019 Interviews unter Autofahrern geführt – davon 536 Personen, die innerhalb der nächsten 6 Monaten eine Autoanschaffung planen und 483 Personen, die innerhalb der letzten 12 Monaten ein Auto angeschafft haben.

Im Jahr 2025 gaben 19 Prozent der befragten Autofahrer an, schon einmal von HVO gehört zu haben – ein deutlicher Anstieg um 7 Prozentpunkte im Vergleich zum Vorjahr. Besonders bei Männern und jüngeren Befragten unter 30 Jahren ist der Informationsstand gestiegen. Dennoch kennt die Mehrheit der Autofahrer diesen Kraftstoff bislang nicht oder nur oberflächlich.

Die Studie offenbart einen bemerkenswerten Trend: Immer mehr Menschen sehen in non-fossilen Kraftstoffen wie HVO100 eine Chance für den Erhalt des klassischen Verbrennungsmotors. 42 Prozent der Befragten schätzen die Auswirkungen dieser Entwicklung auf die Zukunftsfähigkeit von Verbrennern als positiv oder sehr positiv ein – ein Anstieg von vier Prozentpunkten gegenüber 2024. Bei den unter 30-Jährigen liegt dieser Wert sogar bei 52 Prozent, was auf eine wachsende Offenheit der jüngeren Generation gegenüber alternativen Lösungen jenseits des Elektroantriebs hinweist.

Besonders deutlich wird das Meinungsbild bei der hypothetischen Wahlfreiheit: Bei gleichem Anschaffungspreis würden sich 56 Prozent der Autofahrer (2024: 64 Prozent) für einen Verbrenner entscheiden, der mit einem non-fossilen Kraftstoff wie HVO100 betrieben wird. Nur ein Drittel würde ein rein batterieelektrisches Fahrzeug wählen. Damit zeigt sich: Der Verbrennungsmotor hat für viele nach wie vor eine hohe Attraktivität – vorausgesetzt, er wird klimafreundlich betrieben. Auch wenn hier der Verbrenner weiterhin die Nase klar vorne hat: Im Vergleich zu 2024 können sich mehr Autofahrer mit einem Elektrofahrzeug anfreunden, da waren es noch 25 Prozent.

Trotz wachsender Bekanntheit haben bisher nur wenige Auto- bzw. Dieselfahrer HVO100 tatsächlich getankt. Als Gründe wurden hier unter anderem technische Unsicherheit/Kompatibilität (34 Prozent), unzureichende Information (31 Prozent) und mangelnde Verfügbarkeit (28 Prozent) genannt. Höhere Kosten spielen nur für 17 Prozent der Befragten eine Rolle. Das bestätigt auch die Preisbereitschaft, die im Vergleich zum Vorjahr konstant bleibt: Im Durchschnitt wären etwa ein Viertel der Autofahrer bereit, einen Aufpreis für einen non-fossilen Kraftstoff zu zahlen. Im Schnitt sogar rund 12 Cent mehr pro Liter.

„Die Ergebnisse zeigen deutlich, dass die Offenheit gegenüber alternativen Kraftstoffen wie HVO100 wächst und das Potenzial durchaus da ist“, sagt Dr. Michael Haberland, Präsident des Automobilclubs Mobil in Deutschland e.V. und Initiator der Kampagne HVO100 goes Germany. „Jetzt müssen wir gemeinsam daran arbeiten, den neuen Diesel an Tankstellen verfügbarer zu machen, weiter über Vorteile zu informieren und die technische Kompatibilität herauszuarbeiten. So kann die Revolution an der Zapfsäule gelingen.“

Verfügbarkeit, Kompatibilität und Einsatzvielfalt

Denn seit der Zulassung vor rund einem Jahr wächst das Netz an HVO100-Tankstellen in Deutschland kontinuierlich. Laut dem Vergleichsportal clever-tanken.de bieten über 315 Tankstellen im Bundesgebiet HVO100 Diesel an, in Europa sind es über 5.000 Tankstellen. Insbesondere mittelständische Tankstellenbetreiber wie BK Benzin-Kontor, Sprint Tank, ROTH Energie, Feldhaus Energie, Fritz Wahr Energie (MTB) und viele Mitgliedsunternehmen vom Bundesverband freier Tankstellen (bft) zeigen ihre Innovationskraft und haben frühzeitig auf HVO100 gesetzt.

Ein zentraler Vorteil von HVO100 im Hinblick zu anderen Technologien ist seine Kompatibilität mit bestehenden Dieselmotoren. Grundsätzlich kann jeder Dieselmotor HVO100 tanken, vom alten Traktor über Baumaschinen, Schiffe bis zum modernen Diesel mit Partikelfilter und AdBlue-System. Erst kürzlich auf der Bauma 2025 in München konnte man sehen, dass bereits heute ein Großteil des Mietparks von Zeppelin Rental, der führende Anbieter von Mietlösungen für die Bau- und Industrietechnik, mit dem Hinweis „HVO ready“ gekennzeichnet ist – das bedeutet, viele der Maschinen sind ohne technische Umrüstung sofort mit HVO100 betankbar. Auch die Deutsche Bahn setzt schon seit längerem den neuen Kraftstoff bei ihren Dieselloks ein.

Das haben auch einige Automobilhersteller erkannt. Seit Januar 2025 werden beispielsweise alle in Deutschland produzierten BMW-Dieselfahrzeuge vor der Auslieferung mit HVO100 betankt. In den BMW-Werken München, Dingolfing, Regensburg und Leipzig werden je nach Modell fünf bis acht Liter eingefüllt, bevor die Fahrzeuge an die Händler ausgeliefert werden. Das betrifft etwas mehr als die Hälfte der globalen Dieselfahrzeugproduktion der BMW Group.

Wirtschaftliche Aspekte und politische Weichenstellung

Die Verfügbarkeit und der Preis sind wichtige Faktoren für die weitere Entwicklung des neuen Diesels in Deutschland. Der Preis für HVO100 liegt derzeit etwa 6 bis 15 Cent über dem von fossilem Diesel. Dieser Aufpreis ist auf die höheren Produktionskosten zurückzuführen. Allerdings ist HVO100 im Vergleich zu fossilem Diesel und Benzin als CO2-reduzierter Kraftstoff nicht von der Erhöhung der CO2-Abgabe betroffen, was ihn perspektivisch wirtschaftlich attraktiver macht. Mit wachsender Nachfrage und Skalierung der Produktion ist eine Annäherung an den Dieselpreis realistisch.

Damit sich das Potenzial von HVO100 entfalten kann, braucht es jetzt klare politische Entscheidungen und verlässliche Rahmenbedingungen. Die globale HVO-Produktion soll bis 2025 auf über 30 Millionen Tonnen ansteigen. In Deutschland könnte die Abschaffung der Schutzsorte E5 zusätzlichen Raum für HVO100 schaffen, da dadurch Tanks an den Tankstellen für den neuen Kraftstoff frei würden. Zudem sind steuerliche Anreize oder Quotenregelungen denkbar, die den Markthochlauf unterstützen könnten – ähnlich wie es in anderen EU-Ländern wie in Italien bereits erfolgreich praktiziert wird. Ein Produkt, das so viel CO2 einspart, aber mit vollem Steuersatz der Energiesteuer (früher Mineralölsteuer) belegt ist; das steht einem deutlichen Zuwachs im Weg.

Auch die EU muss hier ihren Beitrag leisten. Fahrzeuge, die mit nachhaltigen, erneuerbaren Kraftstoffen wie HVO100 betrieben werden, sollten auch in den EU-Flottengrenzwerten berücksichtigt werden. Aktuell werden ausschließlich emissionsfreie Antriebe (z. B. batterieelektrisch) voll angerechnet – das verzerrt den Wettbewerb zulasten klimafreundlicher Alternativen. Eine weitere Maßnahme ist eine sinnvolle, nationale Umsetzung der EU Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED III), die ambitioniertere Quoten für erneuerbare Energien im Verkehrssektor vorschreibt, um HVO100 und andere fortschrittliche Kraftstoffe stärker in den Markt zu integrieren – vorausgesetzt, die Bundesregierung nutzt den Spielraum zielgerichtet.

Fazit

HVO100 ist ein realistischer und sofort nutzbarer Baustein für eine klimafreundlichere Mobilität. Gerade in Bereichen, wo Elektromobilität (noch) nicht praktikabel ist – etwa bei Lkw, Bussen oder Baumaschinen – ist HVO100 eine wichtige Lösung.

Dr. Michael Haberland sieht weitreichende Chancen: „HVO100 ist eine sofort verfügbare, innovative und vielversprechende Alternative zu fossilem Diesel. Mit wachsender Verfügbarkeit, technischer Kompatibilität und zunehmender politischer Unterstützung könnte der neue Diesel bei Autofahrern, Unternehmen und in der Gesellschaft bekannter werden und so einen bedeutenden Beitrag zur Defossilisierung des Verkehrssektors leisten.“


Weiterführende Links:

Die Ergebnisse der Studie finden Sie HIER

BILD-Artikel zur Autofahrer-Studie 2025

Wo man HVO100 tanken kann: hvo100.team/hvo-tankstellen-karte/

Herstellerfreigaben: hvo100.team/freigaben-modelle-typen-fahrzeughersteller-hvo100/