Tour d’Europe in München | HVO100 im Praxistest: Erneuerbare Kraftstoffe für einen nachhaltigeren Verkehr

Am 27. Mai 2025 machte die Tour d’Europe Halt in München. Im Mittelpunkt der Veranstaltung „Technologieoffenheit konkret“ stand die Frage, wie erneuerbare Kraftstoffe zur Dekarbonisierung des Straßenverkehrs beitragen können. Eingeladen hatte dazu der ADAC in seine Zentrale in München, um gemeinsam mit führenden Experten und Entscheidungsträgern aus Automobil- und Energiewirtschaft wie AVIA, BMW, BOSCH, eFuel-Alliance, Enilive Deutschland und NESTE die Potenziale und Herausforderungen erneuerbarer Kraftstoffe zu diskutieren.

Zur Eröffnung betonte Karsten Schulze, Technikpräsident des ADAC, die zentrale Herausforderung: Individuelle Mobilität mit den nationalen und europäischen Klimazielen in Einklang zu bringen. Dazu brauche es verlässliche, technologieoffene Rahmenbedingungen sowie das Zusammenspiel aller Branchen entlang der automobilen Wertschöpfungskette. Der Verkehr der Zukunft müsse ökologisch tragfähig, ökonomisch realisierbar und sozial ausgewogen gestaltet sein. Stefan Gerwens, Leiter Ressort Verkehr beim ADAC, ergänzte: „Wir brauchen eine Antriebs- und eine Energiewende.“ Entscheidend sei, alle verfügbaren Technologien zu nutzen – von Elektromobilität bis hin zu erneuerbaren Kraftstoffen wie HVO100. Der Handlungsdruck sei hoch.

Anschließend stellte Dr. Marco Babic, Leiter Erzeugnisgebiet bei der Robert Bosch GmbH, die Tour d’Europe vor. Die Initiative, getragen von rund 20 Partnern der europäischen Automobil-Wertschöpfungskette, will das Bewusstsein für erneuerbare Kraftstoffe stärken und deren Beitrag zur Dekarbonisierung des Verkehrssektors sichtbar machen. Mit insgesamt 14 Fahrzeugen – darunter Pkw und Lkw – wird die Tour insgesamt 20 europäische Länder bereisen. Insgesamt finden während der Tour etwa 70 Events statt, wie auch der Zwischenstopp in München, um Politik, Medien und Öffentlichkeit einzubinden. Der Abschlussbericht mit den Ergebnissen und Empfehlungen wird Ende Juni 2025 in Brüssel präsentiert.

In seinem Redebeitrag stellte Max Schindler, Leiter Supply, Logistics and Wholesale bei Enilive Deutschland, die Sicht eines Energieunternehmens dar, das sich schon früh für die Produktion alternativer Kraftstoffe entschieden hat. Enilive strebt bis zum Jahr 2030 eine Produktion von jährlich fünf Millionen Tonnen HVO an. In Deutschland laufen bereits erste Umrüstungen an Raffineriestandorten. Schindler betonte, dass der Markthochlauf von HVO100 nicht allein durch die Industrie getragen werden könne. Er richtete einen deutlichen Appell an die Politik: Um die Wettbewerbsfähigkeit und Akzeptanz von HVO100 zu sichern, seien zielgerichtete steuerliche Anreize notwendig – analog zum österreichischen Modell, wo HVO100 durch Steuererleichterungen gefördert wird.

Thomas Higler, Leiter Einkauf und Versorgung bei AVIA, machte in seinem Redebeitrag deutlich, dass die Energiewende im Verkehrssektor nur mit einer Kombination aus Stromwende und Molekülwende – also dem Einsatz erneuerbarer flüssiger Kraftstoffe – gelingen kann. Als mittelständischer Tankstellenbetreiber mit rund 900 Standorten in Deutschland leistet AVIA bereits heute einen wichtigen Beitrag zur Verfügbarkeit alternativer Kraftstoffe: An derzeit 30 Stationen wird HVO100 angeboten – bis Ende 2025 sollen es 100 Standorte sein. Higler unterstrich die Bedeutung einer einheitlichen und klar verständlichen Namensgebung für HVO100 im Markt, um Transparenz für Verbraucher zu schaffen und die Akzeptanz weiter zu erhöhen.

Dr. Johannes Schmid von der BMW Group plädierte anschließend eindringlich für „Entscheidungsfreiheit statt Verbote“ in der Verkehrspolitik. Er hob hervor, dass BMW bereits konkrete Schritte unternimmt, um klimafreundliche Lösungen im Verbrennersegment umzusetzen – so werden neue Dieselfahrzeuge des Unternehmens bereits ab Werk mit HVO100 betankt. In der Diskussion um die EU-Flottengesetzgebung und das mögliche Verbrennerverbot ab 2035 wies Schmid darauf hin, dass sogenannte CNF-only-Fahrzeuge (CO₂-neutrale Fahrzeuge durch e-Fuels) aktuell nur als Option vorgesehen sind. Die Tour d’Europe liefere hierbei einen wichtigen methodischen Beitrag: Durch den Einsatz eines digitalen Kraftstoffzwillings – dem sogenannten „Digital Fuel Twin“ – lasse sich die CO₂-Reduzierung durch den verwendeten Kraftstoff transparent und nachvollziehbar dokumentieren. Damit dieses Modell auch regulatorisch anerkannt wird, sei nun die konkrete Ausgestaltung des entsprechenden gesetzlichen Rahmens entscheidend.

Ministerialdirektor Dr. Markus Wittmann vom Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie betonte in seinem Impuls die zentrale Rolle des Fahrzeugaltbestands bei der Erreichung der Klimaziele im Verkehrssektor. Um eine spürbare CO₂-Reduktion auch außerhalb des Neuwagenmarktes zu ermöglichen, seien erneuerbare Kraftstoffe wie HVO essenziell. In diesem Zusammenhang bekräftigte er die Forderung von Staatsminister Hubert Aiwanger und seines Hauses, HVO100 in Deutschland von der Energiesteuer zu befreien – analog zu bestehenden Regelungen in anderen EU-Staaten.

In der Paneldiskussion „Die potenzielle Rolle von Kraftstoffen in der EU-Flottenregulierung 2035“ betonte Marco Lietz von Neste, dass bereits mit den heute verfügbaren Rohstoffen langfristig ein Produktionsvolumen von rund 50 Millionen Tonnen HVO möglich sei – mit erweitertem Biomasseeinsatz könnten sogar mehrere hundert Millionen Tonnen realisiert werden. Uwe Hillmann, Leiter Produktbereich Software and Controls bei der Robert Bosch GmbH unterstrich die praktische Umsetzbarkeit und verwies auf die Tour d’Europe als „breiten Nachweis einer Machbarkeit“: Die Kraftstoffe sind verfügbar, die Infrastruktur vorhanden – und durch den Digital Fuel Twin sei auch eine zertifizierbare CO₂-Reduktion dokumentierbar.

Die Debatte um Technologieoffenheit bei Antrieben und Energien für den Straßenverkehr stand klar im Zentrum dieser Diskussion. Während Elektromobilität und alternative Antriebe im Fokus stehen, betonte die Veranstaltung die unerlässliche Rolle von Verbrennungsmotoren und erneuerbaren Kraftstoffen auf dem Weg zur klimaneutralen Mobilität. Dies wird besonders relevant vor dem Hintergrund der EU-Flottengrenzwerte für Pkw bis 2035 und der Umsetzung der Erneuerbaren-Energien-Richtlinie (RED III) im deutschen Recht.

Dr. Michael Haberland, Präsident des Automobilclubs Mobil in Deutschland e.V. und Initiator der Kampagne „HVO100 goes Germany“ war ebenfalls beim Zwischenstopp in München vor Ort und ist begeistert: „Die Tour d’Europe zeigt eindrucksvoll, dass der Einsatz alternativer Kraftstoffe wie HVO100 heute schon machbar ist und keine Zukunftsmusik mehr. Wir haben die Fahrzeuge und jetzt auch den besseren Sprit, jetzt müssen die Rahmenbedingungen noch stimmen. Technologieoffenheit ist der Schlüssel für das Erreichen der Klimaziele ist und ein entscheidender Hebel für eine realistische, bezahlbare und nachhaltige Mobilität.“


Weiterführende Links

Infos zur Tour d’Europe
Infos zu HVO100 Diesel